Da ich überlebt habe, ist es meine Pflicht, der Toten zu gedenken

Dienstag, 23. April 2013

Da ich überlebt habe, ist es meine Pflicht, der Toten zu gedenken

Joaquim Amat-Piniella

Der 100. Geburtstag des katalanischen Dichters Joaquim Amat-Piniella steht heuer im Mittelpunkt der Gedenkfeier beim ehemaligen KZ-Nebenlager Redl-Zipf. Am Dienstag, 7. Mai 2013 werden im Beisein von ‚Schlier-Lagerarzt’ Dr. Paul LeCaer beim Gedenkstein vor der Kirche in Zipf Gedichte des ‚Rotspaniers’ vorgetragen, die uns einen Einblick in die Gefühle der KZ-Häftlinge ermöglichen.

Die Gedichte aus dem KZ entdeckte die Arge Schlier im Zuge ihrer umfangreichen Forschungsarbeiten. Bei der Befreiungsfeier wird Roman Torra, ein ehemaliger Mitarbeiter der Salzburger Nachrichten, Teile davon in Katalanisch und in seiner deutschen Übersetzung vortragen. Dazu präsentiert die Arge Schlier eine Ausstellung über den katalanischen Nationaldichter.

Die Arge Schlier fühlt sich der Erinnerung an die Opfer des KZ-Nebenlagers verpflichtet und dokumentiert seit Jahren akribisch alle Geschehnisse in und um den ehemaligen NS-Rüstungsbetrieb „Schlier“ in Zipf. Ein weiteres Ziel der kleinen Gruppe von Zeithistorikern ist die Erhaltung und die geordnete Zugänglichmachung von Stollen und Triebwerkstesttänden, den einzigen weltweit, die vom Beginn des Raketenzeitalters erhalten geblieben sind.

Joaquim Amat-Piniella wurde 1913 in Manresa, Katalanien geboren. Der Spanische Bürgerkrieg unterbrach das Jus-Studium des aufgeschlossenen Intellektuellen, der Mitglied der katalanischen sozialistischen Partei war. Als Artillerist nahm er an den Kämpfen teil und musste 1939 ins französische Exil gehen. Dort wurde er interniert. 1940 wurde er von der Deutschen Wehrmacht festgenommen und ins KZ Mauthausen deportiert. Im Nebenlager in Zipf schrieb Piniella 19 Gedichte, die er über die Auflösung des Lagers und den Fußmarsch nach Ebensee bis zur Befreiung durch die Amerikaner am 6. Mai retten konnte.

Da eine Heimkehr ins faschistische Franco-Spanien unmöglich war, lebte Amat-Piniella zuerst im Exil in Andorra. Dort schrieb er sein Hauptwerk „K. L. Reich“, in dem er das Leben und Sterben sowie die Unmenschlichkeit aber auch die Menschlichkeit in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern beschreibt.

Nach seiner Rückkehr nach Spanien waren Amat-Piniella nur wenige Jahre des Glücks vergönnt. Seine Frau starb 1949. Der Dichter starb 1974 und seine Bücher erschienen erst lange nach dem Ende des Francoregimes und erst in den letzten Jahren wird er als katalanischer Dichter immer mehr geschätzt. 1999 erschienen seine Gedichte aus der Gefangenschaft in katalanischer Sprache. Hier eines davon:

La nit entre tu i jo

Die Nacht zwischen Dir und mir

Ich befreite mich aus der Umschlingung deiner Arme
als die Nacht sich auf meinen Weg legte. 

Winternacht ohne Zuflucht.
Dunkle Nacht ohne Licht.
Kalte Nacht ohne Feuer.

Die Wärme des Betts hat sich ganz verflüchtigt
und deine Hand, die mich bekreuzigte, spüre ich nicht mehr,
aber vom Duft jener lang vergangenen Stunden voller Tränen
ging nichts verloren.

Einerlei, ob das Tor zum Balkon des Palastes verschlossen ist
angesichts jener mächtigen Waldung, die von der Sehnsucht genährt wird:
Tapfer bewahrst du dort mein Nest
und besiegst die Verlassenheit der endlosen Nacht!
Liebevoll erwartest du meine Rückkehr
während der Regen unzählige Spuren verwischt haben wird!

Oh, die Langsamkeit all der Monate die feindselig über diese Breiten herfallen
wo einem der Geist ertränkt wird!

Aber bald werde ich auf geflügeltem Pferd
kraftvoll in deine Arme eilen,
und es wird nicht die Trägheit des Hinwartens im Leiden und Unglück sein
die das Drängen der dürstenden Kehle hinhält. 

Eher zähle ich auf die Führung durch Mond und Sterne,
auf die Hilfe und Großmut günstiger Winde.
Auch zähle ich auf den Ruf deines weiblichen Verlangens
und auf die Ergriffenheit, die deine Augen übermitteln. 

Ich zähle auf eine Morgenröte, die die Welt entflammen möge,
eine Rückflut des Lebens auf den besiegten Tod.

Redl- Zipf,   Dezember 1944

 

"Da ich überlebt habe, ist es meine Pflicht, der Toten zu gedenken" - "Com que vaig sobreviure, el meu deure era, és i será sempre, pensar en els morts"
Begründung im letzten Brief von Amat-Piniella, warum er das Buch „K. L. Reich“ schrieb. Den vollständigen Text des Briefes findet man in der Webseite http://www.memoria.cat/amat/ unter der Rubrik „4 cartes inèdites d´Amat-Piniella“